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Bei der Granatapfelernte in Rahova – 12 – 2. Teil
prose [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 - 2014)
Compilation: Ãœbersetzungen

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by [Delagiarmata ]

2017-07-21  | [This text should be read in deutsch]  

Literary Translation - Translations of classic and original poetry and other materialsThis text is a follow-up  | 



Herbst-Winter auf der ganzen Brücke der Bettler

Herbst – eine Jahreszeit, nur erfunden, um Einweckgläser mit Eingesäuertem zu füllen?

Ja, in den Milchflaschen mit der breiten Halsöffnung wurden tausende Tomaten zerquetscht und vermischten sich mal mit Paprika mal mit Dillkraut (das für die Verkoster aus Siebenbürgen, die ohne Dillkraut langsam aber sicher zu sterben schienen), in Eimern und Waschschüsseln mit Sand versteckten sich Möhren, die Kartoffeln wurden in Zeitungen eingewickelt und die Jonathan-Äpfel hüteten auf dem Schrank die Finsternis, die großen und grünen Birnen hielten es, dort wo auf dem Schrank noch Platz war, aus bis Weihnachten.

Die Quitten füllten mit ihrem Gelb und Herbstgeruch den ganzen Winter, farbentreu die Oberwelt der Zimmer bewachend, zwischen Stollentabletts sowie Biskotten- und Rosinentüten, mit viel Mühe gekauft (nach dem Diktum „eine Hand wascht die andere“) und weit vor den Feiertagen.

Alle diese Anstrengungen wurden unternommen, weil die staatlichen Lebensmittelvermarkter wenig Ware anboten, mit der du die Feiertage ruhig erwarten konntest, die Preise waren hoch, und die Läden voll mit Erbsen- und Tomatenkonserven sowie verstaubten Keksen. In einigen Zentralgeschäften gab es noch einige Fischkonserven, deren Fische auf dem einst blauen Papier schon vergilbt waren von der vielen Sonne, die sie auf den unter Fliegen – lebende und tote – faulenden Regalen auskosteten.

Auch das Kraut kaufte man von den Bauern oder von den Händlern, die durch die Straße fuhren. Sie schrien nicht so laut wie die Holzverkäufer oder jene, die mal die Schornsteine reinigten, mal leere Flaschen oder Hühner- und Gänsefedern sammelten.

Dann sollten wir nicht vergessen, dass das Krautfass aus authentischem Holz sein musste, mit Zapfen.

„Aus einem Guss, damit es nicht springt“, machte Mutter mich aufmerksam, so als ob ich mich ein Leben lang um ein Krautfass kümmern müsste.

Ein Experte musste einmal im Jahr die Metallreifen prüfen, die das Fass umringten. So ein Behältnis kaufte man vielleicht zweimal im Leben, es kostete viel und wurde besser kontrolliert und gepflegt als heute ein Auto.

Die mit Geld hatten Mopeds oder Motorräder mit Beiwagen, aber Autos hatten in unserem Stadtviertel nur zwei: ein ehemaliger Fabrikdirektor und ein Architekt, der einen Weingarten in unserer Gegend geerbt hat. Der Direktor hat eine kleine Summe für eine Liebhaberin unterschlagen, wurde erwischt und saß für einen Freudenabend acht Monate im Gefängnis – eh, das ja Gerechtigkeit! – und verlor auch sein Auto mit Chauffeur. Der Architekt hat den Weingarten der Urgroßeltern so gut gepflegt, dass eines Tages seine Frau ihn mit den Kindern verlassen hat, ihn allein in einem Vorzeigeweingarten zurücklassend, den er aber vor soviel Trauer auch aufgegeben hat und an Herzschmerz gestorben ist, sodass der Weingarten Staatseigentum wurde.

Die Mehrheit in der Straße hatte ein Fässchen, kein Fass, und die noch Ärmeren nur ein Plastikfässchen. Und das Kraut ging ihnen gleich nach Weihnachten aus, dann kamen sie zu uns. Mutter holte es wie einen Oscarpreis heraus, ganz, ohne Schimmel oder Schaum, und gab es ihnen, die sie auch ein wenig lobten, in jedem Winter wiederholend, dass sie solche ganzen und weißen Krautköpfe noch nie gesehen hätten, und, oh, es muss bezahlt werden …

„Lass nur sein, das ist ein Leichenmahl für die Toten in Siebenbürgen.“

Und Mutter war stolz ob des großen Steins, der das Kraut zusammenpresste und in seiner Wichtigkeit obenauf lag. Sie behauptete manchmal, dass von dem weißen Stein das Kraut so gut wird. Sie brachte ihn mal, in der Jugendzeit, aus Siebenbürgen mit, aus dem Fluss hinter dem Haus in Marienburg bei Schässburg. Und sie brachte zur Verwunderung der Nachbarn Stachelbär- und Rhabarbersträuche mit, eine Pflanze mit ganz großen Blättern, wie ein Menschenkopf, beide sauer, dass du bis zum Abend das Gesicht verzogen hast.

Die Nachbarn hatten so etwas nicht, sie wollten auch Pfannkuchen machen, wie Mutter ihnen manchmal beim Erdbeerenpflücken erzählte. Aber sie schauten nur aufmerksam auf dieses frische Grünzeug und ich glaube, sie warfen es weg, denn sehr oft haben sie nicht danach gefragt und auch keines in ihre Gärten voll mit Petersilie, Knoblauch oder Zwiebel gepflanzt.

„Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.“

Und, hat Vater vielleicht Polenta gegessen? Hat er nicht. Wir hielten uns die Bäuche vor Lachen, ich und Mihãițã, wenn Mutter Polenta auf einer Holzunterlage machte, mit einem Faden in Stücke geschnitten, und Vater schaute erstaunt zu – und nicht nur einmal.

So hat er es jahrelang gemacht, bei jeder Polenta, und du hörtest immer die gleichen Worte: „Große Verschwendung, große Verschwendung von Eiern, von Eiergelb, aber bei uns in Georgenberg hatte sie Geschmack, wenn du viele Eier benutzt hast.“

Vielleicht verstellte er sich nur, um einen Anlass zu haben, von Zuhause zu sprechen, denn bei jeder Polenta antwortete Mutter ruhig, aus ihren grau-blauen Augen in dem großen, weißen und runden Gesicht blickend: „Es sind keine Eier, es ist gekochtes Maismehl, so viel, es ist keine Verschwendung und bei mir in Siebenbürgen war es nicht wie bei dir in Georgenberg, aber schau, es ist wie Brot, die Nahrung der Armen, Regatbrot* …

Die folgende Antwort klang unversöhnlich: „Mensch Frau, du weißt es, aber es hat keinen Geschmack, so viel Eigelb und überhaupt keinen Geschmack, du weißt, Frau, ich esse, ja Frau, denn es ist kein Krieg und es ist gut, dass wir kein Stroh essen … Hast du sie ausgewaschen?“
„Natürlich, du weißt doch, dass ich mich nicht schlafen lege, ohne sie auszuwaschen?“

Es ist noch immer vom Kraut die Rede. Abends muss es „gespült“ werden, also das ganze Wasser floss durch den Zapfen in den Eimer und Vater schüttete die „gespülte“ Brühe zurück ins Fass. Heute würde man diese Arbeit als eine Art Yoga bezeichnen. Vater tat es bestimmt mit den Gedanken an Krautwickel und Salat, der frisch sein musste, ohne Krautgeruch.

„Siehst, du hast es gut gemacht, man spürt, dass es gespült ist“, beruhigte Mutter den Vater, der den monströsen Stein haargenau zurück aufs Fass legte.

Ja, man spürte, dass das Kraut arbeitete und, durch so viel Wasser gepresst, nicht nach Kraut roch, sondern klar war, weiß, als wäre es vor Ort eingeschnitten worden, es roch nach Pfefferkraut und hatte einen Gesamtgeschmack von Meersalz, von diesem „öligen“, alles rein und ruhig.

Schon im Sommer kaufte man Holz. Wenn man Geld hatte. Von den Wagen, die jeden Sommer faul durch die Straßen fuhren. Jene, die trotzdem hofften, der Winter würde nicht kommen, wurden überrascht und quälten sich vor Weihnachten kurzatmig und mit eingehüllten Händen – damals gab es frostige und alternativarme Winter – in einen Sack aus irgendwelchen Lieferwagen Brennholz zu sammeln, oder verbrannten ihre Zäune, sowieso verfallen und ärmlich aus einigen Brettern oder Schilfrohr bestehend und ohne jedwede Schutzrolle.

Die Weihnachtstische ließen das Viertel „den Gebrauch der Vernunft“ verlieren – es roch über alle Zäune hinweg nach Speckschwarten, Fleisch und heißem Schnaps. Mutter besorgte von, „du weist schon von wem“, Pfeffer, und dann sollte man den Krautsalat, mit einem Schuss heißen Schnaps und am Rande mit Rotenrübensalat und Kren, sehr scharf, gemischt, essen, und dabei Weihnachtsliedern vom Magnetofon lauschen – das ja Erinnerungen!

Nein, nicht am Fernseher, dort buchstabierte Che Guevara ein paar Versprechungen und okkulte Sätze, und stundenlang rumänische Horas, nach denen niemand tanzte.

Im Stadtteil Rahova vollzog man den Eintritt in den Winter mit lebendigen Musikanten, mit echten Akkordeons, die deutsche Namen trugen, gepflegt und gehegt, und mit der Geige Vetters Sandu Găuță an der Barriere. Und so schritt man von einem Jahr ins andere.

[aus dem Rumänischen von Anton Potche]

*Worterklärungen
Regat = Königreich, im rumänischen Sprachgebrauch ist damit das Gebiet des ehemaligen Königreichs Rumänien (seit 1881), bestehend aus den Fürstentümern Walachei und Moldau, gemeint

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