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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2008-03-21 | [This text should be read in deutsch] |
Auch die kleine Glocke der Aussegnungshalle schickte sich schon an nach Rom zu fliegen, als mein Altkapellmeister zu Grabe getragen wurde. Doch sie wartete noch, bis auch der letzte Klarinettenhauch des fernen âBöhmischen Windesâ ĂŒber die Römerschanze hinweggeklungen war. Sie wollte noch dabei sein, als sich an diesem GrĂŒndonnerstag ein Mann auf seinen letzten Erdenweg begab; ein ErdenbĂŒrger, der sich um begleitende KlĂ€nge nie sorgen musste. Melodien und Harmonien waren immer Teil seines Lebens gewesen. Sie bestimmten sein FĂŒhlen, Denken und Handeln, genau so wie das LĂ€uten der Glocken die Existenz der abendlĂ€ndischen Kultur prĂ€gt.
Die Friedhofsglocke lĂ€utete, als mein Kapellmeister, gebettet fĂŒr die Ewigkeit, der Blaskapelle folgte; zum ersten Mal in seinem Leben, denn bislang war diese immer ihm gefolgt. Er hatte den Platz vor der Kapelle eigentlich nie gerĂ€umt, auch dann nicht, als einige glaubten, die Zeit fĂŒr einen Generationswechsel wĂ€re reif. Die UmstĂ€nde hatten dann eines Tages den Dirigentenstab zwar in die HĂ€nde seines Sohnes gelegt, aber als Autobauer will mir jetzt in dieser Stunde die Patriarchenfigur eines Ferdinand PiĂ«ch nicht aus dem Sinn gehen: im Augenblick nicht vor Ort, aber gefĂŒhlsmĂ€Ăig immer prĂ€sent. StĂŒrme der Zeit haben das Lebenswerk meines Kapellmeisters in den 1980ger Jahren zerstört. Die 25 Musikanten, die ihn jetzt mit ihrer gemĂŒtsbetonten Klangwucht im Trauermarschgleichschritt zu seiner letzten RuhestĂ€tte geleiteten, waren lĂ€ngst nicht mehr alle seine Musikanten. Aber einer von den seinen hatte noch Minuten vorher einen beeindruckenden Selbstbeherrschungskampf gefĂŒhrt, als er das Lebenswerk seines, meines, unseres, des Kapellmeisters vor einer groĂen Trauergemeinschaft mit Worten zu wĂŒrdigen versuchte. Es war ihm letztendlich bravourös gelungen. Doch seine Stimme sprach BĂ€nde und wird in so manchem Anwesenden nachklingen, gleichsam der danach ĂŒber das Grab dahinschwebenden BlĂ€serchorĂ€le. Als aktiver Musikant hat man immer einen Kapellmeister. Seinen ersten aber, von dem man schon als Kind in die Welt der Töne, beizeiten raus aus der alles definierenden Begrifflichkeit der Erwachsenen und hinein ins Reich der reinen GefĂŒhle, gefĂŒhrt wurde, wird man als lebenslangen Bezugspunkt im GedĂ€chtnis behalten. Es ist Karfreitag, dieser Tag der Fragen, Zweifel, Hoffnungen, aber fĂŒr den einen und anderen auch der unbarmherzigen Gewissheit. Ich steh am Fenster und verfolge den aufkommenden Sturm. Eine alles ĂŒberragende Fichte wiegt sich hin und her. Es liegt so viel Demut in diesen natĂŒrlichen Bewegungen, die sich wipfelzu, fĂŒr ein betrachtendes Menschenkind sogar beĂ€ngstigend verstĂ€rken. Der Geist meines Kapellmeisters wird um diese Zeit die Römerschanze in Reutlingen lĂ€ngst verlassen haben. Ob er sich wohl schon auf dem Weg zur Legende befindet?
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