Biography Nikolaus Berwanger
Nikolaus Berwanger (*5.7.1935, Freidorf/Banat/RumĂ€nien; +1.4.1989 Ludwigsburg/Baden-WĂŒrttemberg/Deutschland) hat wie kein anderer das Kulturleben der Banater Schwaben in der Nachkriegszeit geprĂ€gt und sich dabei nicht nur Freunde gemacht.
Er kam in Freidorf, der gleichen, heute zu Temeswar gehörenden Ortschaft, zur Welt, in der auch Johnny WeissmĂŒller, Schwimmweltrekordler und Tarzan-Interpret, geboren wurde.
Die politische Gesinnung in seiner Arbeiterfamilie hat ihn schon als Kind geprĂ€gt. Nach dem Besuch der Volksschule machte er auf Baustellen und in einer Ziegelei erste Erfahrungen mit dem Leben und der sozialistischen Weltanschauung des Proletariats. Die Folge war, dass Nikolaus Berwanger mit 15 Jahren das jĂŒngste Mitglied des âDeutschen Antifaschistischen Komiteesâ wurde.
Er absolvierte eine Textilfachschule und arbeitete in einem der zahlreichen Temeswarer Betriebe dieser Leichtindustriebranche.
Schon 1952 ging er nach Bukarest und wurde Mitarbeiter des Tagesblattes âNeuer Wegâ. Gleichzeitig schrieb er sich am deutschen Lyzeum der rumĂ€nischen Hauptstadt ein.
Im Jahre 1957 wurde er Mitglied der âRumĂ€nischen Arbeiterparteiâ, die spĂ€tere berĂŒchtigte, dem Diktator CeauÈescu hörige âRKP â RumĂ€nische Kommunistische Parteiâ. Schon frĂŒh begann sich also auch ein politischer Lebensweg des Freidorfer Arbeitersohnes abzuzeichnen.
1958 ĂŒbernahm er in Temeswar die Korrespondentenstelle der Zeitung âNeuer Wegâ.
In Heimatgefilde zurĂŒckgekehrt, inskribierte er an der hiesigen UniversitĂ€t und studierte Germanistik. Seine Diplomarbeit trug den Titel âDie AnfĂ€nge des Buchdrucks im Banat und die erste Zeitung in Temeswarâ.
Am 21 Februar 1969 Ă€nderte die bis dahin dreimal wöchentlich erscheinende Temeswarer deutschsprachige Zeitung âDie Wahrheitâ ihren Namen in âNeue Banater Zeitungâ und wandelte sich zur Tageszeitung. Der neue Chefredakteur hieĂ Nikolaus Berwanger.
Eine beispiellose politische, journalistische und schriftstellerische Laufbahn eines Mitgliedes der deutschen Minderheit in RumÀnien (offizieller sozialistischer Sprachgebrauch) nahm ihren Anfang.
Berwanger begleitete bis 1984 folgende politische Ămter: Mitglied des BĂŒros des Kreiskomitees Temesch der RKP, stellvertretender Vorsitzender des Rates der WerktĂ€tigen deutscher NationalitĂ€t in RumĂ€nien, Vorsitzender der deutschen Minderheit im Banat, Abgeordneter des Kreisvolkrates.
Als Journalist engagierte er sich neben seiner TÀtigkeit als Chefredakteur auch als stellvertretender Vorsitzender des rumÀnischen Journalistenrates.
Er war Mitglied im Leitungsrat des rumĂ€nischen Schriftstellerverbandes, Mitglied im Leitungskomitee der Temeswarer Schriftstellervereinigung, MitbegrĂŒnder und Leiter des Literaturkreises âAdam MĂŒller-Guttenbrunnâ.
Zu seinen kulturellen Verdiensten gehören neben der Förderung junger Schriftsteller auch seine maĂgeblichen Anteile bei der Errichtung von KulturstĂ€tten wie das schwĂ€bische Heimatkundemuseum in Lenauheim, der Stefan-JĂ€ger-GedenkstĂ€tte in Hatzfeld/Jimbolia, der Adam-MĂŒller-Guttenbrunn-GedenkstĂ€tte in Guttenbrunn/Zăbrani oder seine UnterstĂŒtzung fĂŒr die Eröffnung des Dorfmuseums in Jahrmarkt/Giarmata.
Die publizistische und schriftstellerische TÀtigkeit Nikolaus Berwangers ist immens. Er hat in deutscher und rumÀnischer Sprache sowie im banatschwÀbischen Dialekt geschrieben (Pseudonyme: Vetter Sepp Zornich aus Unseck und 'm Berwanger sei Niklos). Lyrik, Prosa, Theater, literaturwissenschaftliche und kulturhistorische Arbeiten sind in zahlreichen Einzel- und SammelbÀnden erschienen.
Nur einige Beispiele: SchwĂ€bisches (Prosa, 1971), Zwei Jahrzehnte im Rampenlicht. Eine Geschichte des Deutschen Staatstheaters Temeswar (1974), Adam MĂŒller-Guttenbrunn (Bildband, 1977), Geschichten ĂŒber Seppi und Peppi (Prosa fĂŒr Kinder, 1979), Schneewittchen öffne deine Augen (Lyrik, 1980), Hallo, mein Knecht (Theater, 1981), Der Dichter Nikolaus Lenau und das Banat (Dokumentarfilmtext) u.v.a..
Berwanger war auch der Urheber der bei den Deutschen im Banat sehr beliebten Mundartbeilage âPipatschâ und des ebenfalls sehr geschĂ€tzten âNBZ - Volkskalendersâ. Viele Anthologien der Banater Literaturszene gehen ebenfalls auf sein Konto.
1984, der Ausverkauf der Deutschen in RumĂ€nien hatte stammesbedrohende AusmaĂe angenommen, kehrte Nikolaus Berwanger von einer Auslandsreise nicht mehr nach RumĂ€nien zurĂŒck. Er lieĂ sich in Ludwigsburg nieder und setzte auch in Deutschland seine schriftstellerische TĂ€tigkeit fort.
Im Olms Verlag, Hildesheim, sind die LyrikbĂ€nde âIn Liebe und HaĂâ, âOffene Milieuschilderungâ, âSteingeflĂŒsterâ und âDu hast nicht Dein Leben Du hast Deine Zeit gelebt. Gedichte aus dem NachlaĂâ erschienen. Im Peter Schlack Verlag, Stuttgart, veröffentlichte er 1978 âIch möchte mich verabschieden. Dialektgedichte mit Tuschzeichnungen von Gert Fabritiusâ und im Hartman Verlag, Sersheim, âMeine Oma und andere ErzĂ€hlungenâ.
In Deutschland war Berwanger wissenschaftlicher Mitarbeiter beim âDeutschen Literaturarchivâ in Marbach am Neckar tĂ€tig. Er war Mitglied des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS) und des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), aber auch stellvertretender Vorsitzender des Internationalen Instituts fĂŒr Regionalsprachen und Dialekte in Wien, Mitglied der Internationalen Lenau-Gesellschaft (Wien), des Josef-Reichel-Bundes (GĂŒssing) und Literaturvereins âTurmbundâ (Innsbruck).
Gedichte von Berwanger wurden ĂŒbersetzt ins RumĂ€nische, Ungarische, Russische, Ukrainische, Serbische, Makedonische, Englische, Französische, Bulgarische, Slowakische, Spanische.
FĂŒr seine Veröffentlichungen wurde er sowohl in RumĂ€nien (Landesfestival CĂąntarea RomĂąniei & RumĂ€nischer Schriftstellerverband) als auch in Ăsterreich (âGoldener Ringâ der Internationalen Lenau-Gesellschaft) mit Preisen bedacht.
Nur seine ausgewanderten Landsleute haben Nikolaus Berwanger weitgehend totgeschwiegen. Seine kommunistische Gesinnung und besonders seine kritische Haltung zur Auswanderung war und bleibt ihnen ein Dorn im Auge, der eine differenzierte Sicht auf sein literarisches und gesellschaftliches Werk nicht ermöglicht.
In einem von Margit Pflagner verfassten Essay "Dichtung aus dem Banat: Nikolaus Berwanger" heiĂt es: âDer Banater Dichter Nikolaus Berwanger hat sich mit seiner engagierten Lyrik voll Kraft und Zorn gegen dieses Schicksal (Auswanderung, A.d.V.) gestemmt und ist doch , trotz Mut und Beharrlichkeit, im Grunde eine tragische Gestalt. Seine Verse werden aber historische Bedeutung gewinnen als getreuer Spiegel eines Zeitabschnitts, in dem ein groĂartiges Kolonisationswerk des alten Ăsterreich zugrunde ging, und persönlich gesehen, als Bekenntnis eines Mannes, der die Wende erkannt hat und sie dennoch mit Einsatz aller seiner KrĂ€fte aufhalten möchte.â (SteingeflĂŒster â Lyrische Bekenntnisse eines RumĂ€niendeutschen; Olms Presse, Hildesheim, New York, 1985)
Seit 2009 gibt es in der Innenstadt von Temeswar eine StraĂe, die den Namen "Nikolaus Berwanger" trĂ€gt.
|