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Der Bojerismus
communities [ poezie.ro ]
Literaturmanifest – von Radu Herinean [agon Radu Herinean] Compilation: Übersetzungen

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by [Delagiarmata ]

2006-11-13  | [This text should be read in deutsch]  

Literary Translation - Translations of classic and original poetry and other materialsThis text is a follow-up  | 



Der Bojerismus ist ein Literaturmanifest und gleichzeitig eine Razzia.

Die Zeit ist gekommen, bojarenhaft zu schreiben: mit Kraft, Energie, Eleganz, Noblesse. Wir nehmen uns vor, sowohl das Schrifttum als auch die BuchstĂ€blichkeit der Poesie zu pflegen. Darunter verstehen wir das Hervorheben des aussagestarken, wie auch des stilistisch beladenen Gedichts. Was uns interessiert, ist die OriginalitĂ€t, die VerschmĂ€hung des Rezeptes, das Vereiteln der Manier. Ein Schreiben nach vorgegebenen Mustern, nicht mal erfunden, hat in den letzten 15 Jahren die rumĂ€nische Literatur wie Unkraut ĂŒberwuchert. Wir pflegen den Rhythmusbruch, die Geschwindigkeit, den Realismus und die VerklĂ€rung.

Schluss mit dem LehnsverhĂ€ltnis gegenĂŒber der amerikanischen Literatur, einer Vasallenschaft, die von sprachlicher Unkultur geprĂ€gt ist, von der NĂ€selei eines Reifs aus amerikanischem Englisch und vom Fehlen einer Öffnung gegenĂŒber anderen Sprachen. Wir wollen zurĂŒck zur großen europĂ€ischen Literatur, zur Ordnung und zum abendlĂ€ndischen System sowie zur seinsbestimmenden Lebenskraft der literarischen Gestalt des Ostens. Eine RĂŒckgewinnung der Inspiration universeller Natur und eine Wiederbelebung des Ă€sthetischen Geistes ist notwendig – jenes Geistes, der es versteht, das Schöne in jedem Versteck aufzuspĂŒren. Wir benötigen eine Kunst ohne gekĂŒnstelte Minderwertigkeiten, ohne stilistischen Ballast. Der Text ist der TrĂ€ger der Botschaft. Die Spannung des Werkaufbaus muss der Dynamik der Schrift entspringen.

Wir wollen die Sehnen und Muskeln der Poesie sehen. Der Sarkasmus muss dem Humor und der Ironie weichen. Wir entscheiden uns fĂŒr eine Ironie, wie R Rorty sie theoretisiert hat, im Bewusstsein, dass wir in einer Welt der BerĂŒhrungen leben. Die Zeit fĂŒr eine Auferstehung des Gedichts, des Lyrismus, des Eros, des Mystizismus, der Verzauberung, der Sage und des Fluchs ist gekommen. ZĂŒgeln wir die schizophrene Kunst! Wir wollen nicht zur hierarchisierenden Starre des Modernismus zurĂŒckkehren. Wir plĂ€dieren fĂŒr das Ausschalten des, den Postmodernismus der letzten Zeit beherrschenden, Chaos durch das Vordringen von der Peripherie zum Zentrum. Lange genug wurde im Phlegma der Peripherie ausgeharrt.

Wir begrĂŒĂŸen die Lebensfreude der Vorstadt, nicht das Rupfen der RĂ€nder. Zerstören wir die aufklĂ€rerisch-freimaurerischen Illusionen durch das Auseinandernehmen oder das Vervielfachen des Zentrums! Ohne uns mit dem kalten Wasser des Transmodernismus zu berauschen, verharren wir einstweilig in einer neutralen Zone. Bis zum Chaosende sollten wir wenigstens einen monumentalen Postmodernismus leben! Die aufsteigende Zierspirale ist es, die unsere kĂŒnstlerischen Geister freisetzen.

Wir haben keine an der Kulturverwaltung interessierte Mentoren, die Namen erfinden und sie in Umlauf bringen, nur damit diese ihnen spĂ€ter als Vasallen dienen, noch Kritiker, deren Enthusiasmus nur Offenkundigkeitskomplexen gegenĂŒber ihren Generationskollegen entspringt. Wir fĂŒhlen uns der rumĂ€nischen klassischen und zeitgenössischen Literatur verpflichtet, wir lehnen sie nicht ab, nur um Aufmerksamkeit einzuheimsen. Wir freuen uns, die Schriftsteller an unserer Seite zu wissen, unabhĂ€ngig davon, ob sie den drei wichtigen Generationen der Gegenwart – 60-er, 70-er, 80-er – zugeordnet werden können. In ihrer NĂ€he empfinden wir weder Frust noch BerĂŒhrungsĂ€ngste. Der Kanon ist unsere Bewertungsbasis zum Anstoßen von Neuerungen.

Als Prinzip werden wir, wenn es sich als notwendig erweist etwas zu beanstanden, die Aktionen, Ideen und Projekte des Betreffenden berĂŒcksichtigen. Wir werden nicht seinen kulturellen Wert in Frage stellen, so wie es zurzeit ĂŒblich ist, um je leichter aus einem Legitimationskomplex herauszukommen. Das wird allerdings nur dann der Fall sein, wenn wir mal mehr zum Patrimonium der rumĂ€nischen Literatur beigetragen haben werden.

Die Bojarenkunst ist eine Herrschaftskunst, großzĂŒgig und massiv. Nicht der Herdentrieb, engstirnig und feige, zeichnet uns aus, sondern die Reverenz vor dem Wert, ganz gleich wie der sich darstellt. Der Bojar ist ein Kavalier, ein Aristokrat. Seine herausragende Eigenschaft ist das Vertrauen, das Nicolae Steinhardt schon bei Jesus Christus ausgemacht hatte, als er von Nachsicht sprach. Der Bojar besticht durch seine Verachtung des Neids und der Schmeichelei. FĂŒr uns gelten die Ideen der Freundschaft, Treue und die Distanz zu kĂŒnstlich geschminkten Kleinlichkeiten. Der Bojar ist kein Dandy oder ein Emporkömmling voller Flausen. Er ist ein KĂ€mpfer, bereit zu sterben im Kampf fĂŒr seine Überzeugungen und Prinzipien. Der Bojar schreibt stark, denkt frei und leidet nicht unter Komplexen. Er ist ungezwungen, sowohl im Salon als auch in der Vorstadt.

Der Augenblick des Aufbegehrens der Generation ohne Zugang zum eigenen Land ist gekommen. Wir sind die letzte Generation. Uns wurde die Revolution gestohlen, wir können die Freiheit schĂ€tzen, weil wir kĂ€mpfen und besonders weil wir fĂŒr sie kĂ€mpfen werden, ohne dafĂŒr Privilegien zu fordern. Wir schachern nicht mit fundamentalen Bestrebungen, die menschliche Lebensbedingungen betreffen. Wir sind auf der Suche nach dem kosmopolitischen und kritischen Geist der Junimea-Gruppe (Die-Jugend-Gruppe). Wir sind KĂ€mpfer in einem Kampfgebiet, Arena der Auseinandersetzung mit Angiftungen und Verblödung. Wir wollen uns nicht vom dickbĂ€uchigen Konsumrausch des SpĂ€tkapitalismus Habermas’ verzaubern lassen. Wir laden sowohl unsere VorgĂ€nger als auch unsere Nachkommen zu uns ein – all jene, die sich in unseren Idealen wiedererkennen.

Ohne kulturelle Reife entstandene Kunst ist eine Flause. Wir wollen die Mittel der rumĂ€nischen Sprache ausbeuten, wir wollen die Folklore verwerten, auch die urbane. Wir wĂŒnschen uns eine Kultur, „in der die Etymologie und eine minderwertige Alltagssyntax keinen Platz mehr hĂ€tten“, eine von der Formulierung „den Himmel kratzen“ (Ilarie Voronva) dominierte Kultur. Seit 15 Jahren wurde das StĂ€dtische nur bruchstĂŒckhaft ausgeschöpft, in wahnsinniger und einseitiger Weise. Die Zeit, in der die Vorstellungskraft sich entfalten kann, ist angebrochen, die Zeit des Ausbrechens aus den KanĂ€len, der verseuchten Heime und der mit Besessenen besetzten Bussen.

Wir streben nach einer aktenbezogenen, soliden und durchdringenden Prosa. Genug mit dem manierierten Asianismus, zögernd und schizophren. Wir sind gesĂ€ttigt vom Narzissmus der brotlosen Autoren, vom subkulturellen Exhibitionismus der Gerneromanciers. Wir wollen die Spannung zwischen Apollinisch und Dionysisch wieder herstellen und die BehĂ€ndigkeit der Kurzprosa wiederbeleben. Der Roman muss schnell einer Intensivtherapie unterzogen werden und gegen die Pornografie mit minderwertigem Sprachbudget geimpft werden. Das harte Wort muss im Text aufgesaugt werden, sonst begnĂŒgen wir uns mit der sperma-menstrualen GrĂ€sslichkeit. Von den UntergrunderzĂ€hlungen, jenen aus der „kleinen Straße“ des Ion CreangĂŁ, hat die pornografische Sprache sich bis zum banalsten Fluch zurĂŒckentwickelt. Der Jargon wurde wegen mangelnder Sprachvorstellung so verunstaltet, dass er in einer bedauerlichen Verknöcherung endete. Wir mĂŒssen die Freude am ErzĂ€hlen wiedergewinnen, am Bauen und Versuchen. Studieren wir die Kunst des Puppenspielers! Mit einer dynamischen Technik, fĂ€hig die LektĂŒre in ein Erlebnis des Geistes zu verwandeln, werden wir das hier GeĂ€ußerte in die Tat umsetzen können. In diesen unguten Zeiten praktizieren wir die Literatur als Extremsport. Aus mit dem Gettogeplapper, aus mit der vergreinten Echtheit! Wir wollen eine komplexe AuthentizitĂ€t, wahrheitsgetreu, unterstĂŒtzt von textueller VerstĂ€ndlichkeit. Erforschen wir das Reale und weniger die RealitĂ€t! Wahrhaftigkeit, keine Nachahmung! Das war nach dem 80-er Intellektualismus auch willkommen. Jetzt, wo wir keinerlei Komplexe und Probleme mit der Sittlichkeit mehr haben, können wir auch andere Themen anpacken. Wir wollen die Erweiterung des Horizonts und die originelle Erörterung. Die Jungen sollen keine Kunst aus zweiter Hand schaffen und verbreiten.

Wir sind nicht unbedingt Integralisten, sondern BefĂŒrworter von Kreationen in ihren dynamischen und neuesten Formen. Auf die Periode der Avantgardeimitation nach den Dezemberereignissen kam die Zeit des Experiments. Bisher war das alles voraussehbar. Die große Kunst wird natĂŒrlich folgen.

Nein der funktionalen Kunst des Modernismus, nein dem internationalen Stil. Nein der GeschĂ€ftemacherei und der Speichelleckerei. Pflegen wir eine ökologische Kunst! Wir sollten fĂ€hig sein, auf Autobahnen zu rasen, aber uns vor dem Staub der Gassen nicht fĂŒrchten. Wir sollten die abgestandene Luft der Kunst entwĂ€ssern, herumreisend mit dem Segelboot, Ballon und Überschallflugzeug.

Der nachgeahmten Analyse ziehen wir die Synthese vor. Wir kehren zum synkretischen Ursprung der Kunst zurĂŒck. Wir sind die schlechten KlĂ€nge des Pop, Rap, Hip Hop und House leid. Wir wollen, dass unsere Werke einen symphonischen Klang haben, sie sollen spielend leicht sein, entflammend wie ein Bolero, rebellisch wie ein Rock-Hit, subtil wie der Jazz.

Das sind unsere Vorhaben, von hier wollen wir starten. Die Internet-Portals, auf denen man uns findet sind: agonia.ro, poezie.ro und proza.ro. NatĂŒrlich wird das Papier zumindest vorlĂ€ufig das bevorzugte Begegnungsmedium mit Ihnen sein.

Paul Bogdan
Radu Herinean
Felix Nicolau
Maris Marian ÂȘolea

Wir rufen alle, die sich in dieser Zukunftsprojektion wiederfinden, auf, sich uns anzuschließen. Unsere Selbstlosigkeit wendet sich auch an jene, die außerhalb der Initiatorengruppe stehen. Die Besten von ihnen begleiten wir auch mit bereits anerkannten Festivals, zu denen wir wichtige Schriftsteller einladen, um das Fundament und den Sinn der Literatur zu ergrĂŒnden, und wir gewĂ€hren ihnen auch die Möglichkeit bei wichtigen Verlagen, mit denen wir Partnerschaften pflegen, zu veröffentlichen.

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