agonia
deutsch

v3
 

agonia.net | Richtlinien | Mission Kontakt | Konto erstellen
poezii poezii poezii poezii poezii
poezii
armana Poezii, Poezie deutsch Poezii, Poezie english Poezii, Poezie espanol Poezii, Poezie francais Poezii, Poezie italiano Poezii, Poezie japanese Poezii, Poezie portugues Poezii, Poezie romana Poezii, Poezie russkaia Poezii, Poezie

Artikel Gemeinschaften Wettbewerb Essay Multimedia Persönlich Gedicht Presse Prosa _QUOTE Drehbuch Spezial

Poezii Românesti - Romanian Poetry

poezii


 
Weitere Texte dieses Autors


Ãœbersetzung dieses Textes
0

 Kommentare der Mitglieder


print e-mail
Leser: 1204 .



Bei der Granatapfelernte in Rahova – 39
prosa [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 – 2014)
Serien: Ãœbersetzungen

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
von [Delagiarmata ]

2022-07-30  |   

zum Originaltext  | 



Sulina – Teil 2

Bei meinem ersten Aufenthalt in Sulina haben Mutter und ich Vater besucht. Er wohnte immer im Hotel „Farul“ und uns hat er bei Familie Cauciuc* untergebracht, zwei Straßen entfernt von der Hauptstraße.

Das Haus Cauciuc war wie fast alle in Sulina von einem Kindergarten umgeben, hergerichtet wie eine Käfersammlung – perfekt. Die Familie Cauciuc arbeitete Tag und Nacht zwischen den Pfählen im Weingarten, mal die Tomaten und dann wieder die Kürbisse gießend. Hier habe ich zum ersten Mal Riesenkürbisse gesehen. In Bukarest hatten die Kürbisse eine normale Größe. Es kümmerte sich niemand um sie, sie wuchsen nach Lust und Laune in den Reihen der Weingärten. Die Cauciucs hatten auch noch viele Katzen und einen bösen Hund. Der bellte ununterbrochen, und Mutter wies mich zurecht: „Spiel nicht mehr mit ihm, Herr Cauciuc ärgert sich!“ Als würde jemand mit diesen Monstern von Hunden aus Sulina spielen können! „Wir haben Angst vor Räubern, gnädige Frau“, erklärte der alte Cauciuc Mutter bei jedem Gebell, „ja, sie kommen von irgendwo aus dem Schilfdickicht und stehlen uns alles, besonders die Kürbisse.“

Ich hatte vergessen, wie er heißt, und grüßte ihn eines Morgens mit „guten Morgen Herr Ciocan*“. Er hat sich nicht geärgert, aber Mutter errötete, so als ob sie die Kürbisse gestohlen hätte. Die Geschichte mit den Ciocan und Cauciuc hielt fasst die ganze Ferien an, denn der Unterschied war nicht groß, zumindest nicht für mich.

„Zum Schluss ärgere ich mich doch“, hat der Herr mir gesagt und versucht, mir zu erklären, wie ein Kautschuk und wie ein Hammer aussieht. Um ihn nicht mit meinem Gestotter zu ärgern, grüßte ich, ohne ihn beim Namen zu nennen.

„Aber warum heißt jemand Cauciuc“, fragte ich trotzdem.
„Damit er nicht Ciocan heißt“, antwortete er. Heute glaube ich, er hatte Humor, dieser Alte, der verzweifelt war, weil jemand ihm die Kürbisse stiehlt oder die Trauben, und der sich einen riesigen Hund hielt, der enorm viel Polenta fraß, denn das hat er ihm gegeben, Polenta mit Milch, die wir, die Ferienmieter, kauften.

Ich fuhr auf der „Transilvania“ mit dem Herr Kapitän, guter Freund meines Vaters, der blonde Herr Willi aus Bukarest, der den Strom von weither für die gesamte Insel zwischen dem Ried und dem alten Leuchtturm brachte, zwischen dem Gefängnis und „Farul“*, dem einzigen Hotel.

Heute schweigen die Menschen wie damals die buddhistischen Studenten. Man kommt zusammen und fährt nicht mehr auf den Markt nach Tulcea. Schweigend wird beladen und schweigend stehen sie nebeneinander. In den bunten Taschen ist alles, was sie auch in den Schilfkörben hatten. Die appretierte Kleidung verlangt Schweigen. Ja, und die Reisetaschen sind jetzt schlanker. Säcke gibt es keine mehr.

Sulina liegt dort, wo man es am leichtesten vom Meer erreichen kann, ein Porto Franco, ein freier Hafen seit mehr als hundert Jahren. Die Wasserarme Sfântul Gheorghe oder Chilia konnte man nur schwer vom Meer her befahren, sagte Vater, der mit der Instandhaltungsfirma „Energo Reparații“ auch dorthin gekommen war. Ich habe euch irgendwann am Anfang von Vater und Ana und diesen Wörterbüchern erzählt. Ich weiß nicht, ob diese Ana noch in Sulina ist, wahrscheinlich gibt es noch mehrere Anas und natürlich auch Buchhandlungen. Die Ana, die Vater Fische gebracht hat, ist eine alte Frau und die Buchhandlung modernisiert. Alles ändert sich … wie im Jepilor-Tal.

Damals war die Familie Frangetti, eine der alteingesessenen Fischerfamilien, die Anlaufstelle für die Fischer am Sulina-Arm. Sie sprachen ein weiches Rumänisch, vermischt mit russischen Wörtern, die aber nicht holperten, wenn sie mit slawischer Patina aus ihren mit Goldzähnen bestückten Mündern kamen. Ja, Frau und Herr Frangetti hatten nur goldüberzogene Zähne. Nicht wie Mutter, die nur einen überzogen hatte, und der mit Silber. Im Delta hatten fast alle Menschen wenigstens einen oder zwei Goldzähne, als Wohlstandszeichen. Frau und Herr Frangetti waren immer gut gelaunt. Wahrscheinlich strahlten diese immer glänzenden Zähne eine Freude aus, die dich im Gespräch mit ihnen jählings befiel. Die Menschen im Delta redeten nicht viel, aber wenn wir kamen, waren sie sehr neugierig, wie es in der Hauptstadt so ist.

„Du fährst wirklich mit der Tramway?“, fragten mich die Kinder am Strand, wo ich meine ganze Zeit verbrachte.
„Ja, in Bukarest fahre ich weder mit dem Schiff noch mit dem Kahn.“
„Wie gut es ist, mit der Tramway zu fahren, die sinkt nicht“, sagte ab und zu einer und sah mich bewundernd an.

Etwa so, wie ich auf die Piloten und Stewardessen schaute, die an mir in Băneasa, damals der einzige Flughafen, vorbeigingen, als ob sie das Fliegen entdeckt hätten. Alle wünschten sich, nach Bukarest zu kommen und dort die ganze Zeit mit dem Zug und der Tramway zu fahren. Warum, habe ich nicht verstanden. Mit dem Boot auf den versteckten Kanälen voller Lebewesen und in einer Luft der absoluten Freiheit zu fahren, war doch viel schöner, als mit der Tramway zwischen den Plätzen Unirii und Rahova. Aber wie sollten sie, die nur einen kleinen Marktplatz hatten, den sie zu Fuß erreichten, das verstehen. Das Städtchen hatte drei Straßen von weniger als einem Kilometer und ein paar Gässchen, eine Art unbefestigter Wege, die irgendwo im Schilfdickicht versanken.

Frau Frangetti war immer zuhause, Mutter von zwei Mädchen, die ihr abends halfen, das Instrumentarium zum Fischen herzurichten. Eine Frau, älter als alle in ihrem Umfeld, mit Dauerwellen und von der Sonne des Deltas gegerbter Haut, vorsorglich. Sie organisierte, sie telefonierte, sie nahm das Geld von den Leuten und wachte mit den Augen über die schwere Waage, mit der die großen Fische abgewogen wurden. So wie damals habe ich sie nur zweimal im Leben gesehen: in den Fischerbooten mit der schwer hantierbaren Waage. Dann wurden die Fische gewaschen, geköpft, gereinigt, ausgenommen und verteilt an die „Richtigen“, was blieb, war für die, die ans Tor kamen, für die Großkopfeten der Stadt, die Fischfabrik, und der Rest ging an die wenigen Geschäfte im Ort.

Für die Größe dieser Fische, die noch im Morgengrauen in den Schüsseln der Marke Gulliver zappelten, gab es keine Worte. Die Meerfische konnten uns Kinder nur erschrecken. Für mich Stadtkind war ein Fisch so groß wie eine Linie im Schulheft, oder ein Pfefferfischchen war klein und ich kannte es nur gebraten, es hatte keine Augen und bewegte keine Flosse.

Er, Herr Frangetti, war sehr rot im Gesicht. Ich habe nicht gesehen, dass er Alkohol getrunken hat wie die anderen Fischer. Er kam bei Tagesanbruch nach Hause, nicht von Unterhaltungen, sondern vom Fischen auf dem Meer oder in den kleineren oder größeren Kanälen um den alten Leuchtturm. Eines Nachts haben sie mich, seine kleinere Tochter und einen Arbeiter aus der Firma meines Vaters mitgenommen. Das Unternehmen lag auf dem Weg zum Friedhof. Die Straße war staubig und voller Schotter, der dich durch die Sohlen der Sandale schmerzte, und führte zum Strand, wo das große Meer begann.

Der alte Leuchtturm, sagten einige, taugt zu nichts mehr. Ein neuer muss her. Ein Leuchtturm kann nicht ablaufen, er steht und wacht, es kommt niemand und sagt, er soll seine Bestimmung ändern. Er, der alte Leuchtturm, stand und wachte, solange wir nachts auf der Donau weilten, und danach auf dem Meer.

Jetzt, wenn ich mich an die Schritte von einem ins andere Boot erinnere, erscheinen sie mir groß. Ja, ich musste aus dem Boot auf der Donau in das aufs Meer, jenes schwarze unendliche Meer, fahrende Boot steigen, um Mitternacht unter dem Gelächter der Fischer, in den Wellen, die uns watschelnass machten, und den über uns kreisenden Vögeln. Die Vögel fischten auch dort zwischen den Gewässern. Die Rufe der Möven am alten Leuchtturm können nicht beschrieben werden, Schreie in allen Nuancen, die nichts gemeinsam hatten mit den sachte über den Strand schwebenden Vögeln oder den schweren Albatrossen, die anscheinend auch nicht wussten, was sie an Land suchen sollten, so schwerfällig sie sich bewegten. Die Fischer traten nicht vorsichtig auf, sie handelten mechanisch, jeder hatte die Hände beschäftigt mit Netzen, Hacken oder einer Wodkaflasche. Denke ich zurück, wegen der Vorsicht, die ich hatte, das Meer unter mir wissend, das mit der Donau rang, stießen die wenigen Schritte von einem Boot ins andere an den Rand einer nie gesehenen Welt. Es war eine salzig schmeckende Angst, eine Angst, die nicht nachts auf dem Trockenen auftaucht, mit einer Intensität, die unter die Haut des Gemüts dringt, wo du dich vielleicht im Traum umdrehst oder dich das Fiber einer Liebe mit traurigem Seemannsgeschmack schüttelt.

Von diesem Leuchtturm ist nie ein Boot allein hinaus aufs Meer gefahren, zu den Netzen, einige offiziell, andere ohne Genehmigung ausgelegt. Natürlich wussten alle, dass man Störe fing, seltene Fische, die irgendwo weit von uns entfernt im Meer lebten, mit großen und teuren Rogen. Aber das ungeschriebene Gesetz des Schweigens funktionierte in der Welt zwischen den Gewässern.

„Heh, ja, das ist für uns“, riefen die Fischer entschlossen, „hier sind die meisten Fische.“
„Wieso?“, fragte ich mit der Stimme des Kindes, das nichts zu sagen hat, aber neugierig ist.
„Wie, du weißt das nicht? Da sind die Fische zwischen den Gewässern, und sie schlafen und können so leicht gefangen werden.“ Ja, sie kannten sich aus, nicht wie ich.

Aber sie hatten auch Wodka, und Sorgen, und die Plage mit den Netzen, während ich aus dem Boot nur die Köpfe und Hacken sah … sehr selten ein Fischmaul, das mit dem Hacken im angsterfüllten Maul abzusaufen schien in dem es umspülenden Wasser. Von Zeit zu Zeit tauchte aus der Gischt ein glasiges Fischauge auf, das nicht zu wissen schien, dass sein letzter Augenblick voller Angeln gekommen ist, und sich nach Kräften währte. Seit damals habe ich keine gesäuerte Fischsuppe mehr gegessen. In die mir die Fischer aus Respekt für die Gäste einen Kopf mit allem, auch Augen, legten. Das Fischauge spürst du wie die Erbse mit Eigeschmack … nur durchdrungen vom Salz des Wassers, aus dem es kam.

Ich stand und schaute wie ein Zwerg in den Garten, versteckt in der Spitze eines Bootes, für mich damals viel zu lang, das aber für die Fische unter uns wahrscheinlich nur eine einfache Nussschale war. Sie, riesige Männer, zogen und tranken und kämpften mit den Netzen und offenen Fischmäulern, mit einer Welt von Fischen, Fischen, die ich nie mehr im Leben sehen sollte.


[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


*Worterklärungen

- Cauciuc = Kautschuk
- Ciocan = Hammer
- Farul = Der Leuchtturm

.  | Index








 
shim Eine virtuelle Heimstätte der Litaratur und Kunst shim
shim
poezii  Suche  Agonia.Net  

Bitte haben Sie Verständnis, dass Texte nur mit unserer Erlaubnis angezeigt werden können.
Copyright 1999-2003. agonia.net

E-mail | Vertraulichkeits- und Publikationspolitik

Top Site-uri Cultura - Join the Cultural Topsites!